Sabine, du hast eine ziemlich außergewöhnliche Klopfakupressur-Zielgruppe für dich entdeckt, du arbeitest nämlich mit …

Pferden.

Wie bist du denn dahin gekommen?

Gegen Ende meiner Klopfakupressur-Ausbildung habe ich einen „Praxis-mit-Herz“-Workshop bei Marit Steinkopf besucht, in dem es darum ging, Klarheit über meine Wunschklientel zu bekommen. Das Besondere an dieser Art Coaching war bzw. ist immer noch, dass die kognitive Ebene, also das, was der Kopf uns sagt, ein wichtiger Teil von Erkenntnis ist, aber nicht die einzige Instanz. Es ging darum herauszufinden, was mein Herz sagt, was ich wirklich in meinem tiefsten Inneren will, wofür ich brenne. Bei mir kamen als Zielgruppe – oh Schreck – Pferde heraus. Das wollte ich erst gar nicht wahrhaben. Obwohl ein Teil in mir ganz laut JA!!! gerufen hat. In der Folge habe ich mich auf den Weg gemacht und gezielt Kontakt mit Pferden und Pferdehaltern aufgenommen. Ich bekam die großartige Chance, mit einer kleinen Herde frei experimentieren zu dürfen. Diese Pferde waren und sind wunderbare Lehrer für mich. Wie jedes Pferd, mit dem ich arbeite. Obwohl es Neuland für mich war, fühlte sich alles sehr stimmig an. Wenn ich vor einem Pferd stehe, bin ich in meinem Element. Nach und nach entdeckte ich, dass in meiner Familie etliche Menschen mit Pferden zu tun hatten, und auch bei mir kamen Erinnerungen hoch.

Du meinst, Erinnerungen an eigene Pferdebegegnungen …?

Ja. Erinnerungen an eigene Pferdebegegnungen als Kind und Erzählungen aus der Familie. Als Großstadtkind durfte ich meine Sommer in der Uckermark verbringen. Von diesem Schatz, den ganzen Tag im Wald, auf Sandwegen, im Wasser und mit Tieren zu sein, zehre ich noch heute. Jedes Jahr fieberte ich damals dem Besuch eines kleinen Gestütes bei Templin entgegen. Das war das Größte für mich, einem Pferd nahe zu sein. Tierärztin wollte ich in einem bestimmten Alter natürlich auch werden (lacht). Sehr glücklich war ich als Kind auf den Redefiner und Moritzburger Hengstparaden, die es bis heute gibt. Von meinem Vater erhielt ich vor kurzem den Familienglücksbringer in Form eines Hufeisens, das sein Onkel bei seiner Hufbeschlagsschmiedemeisterprüfung ad hoc für ein Pferd mit Hufproblemen schmieden musste. Er war nicht der einzige Hufschmied in der Familie. Mein Bruder hat sich als Fotograf längere Zeit mit Pferden beschäftigt. Mein Lieblingsbuch als Kind war „Das Pferdemädchen“ von Alfred Wellm. Das wäre damals wohl meine Wahl gewesen für das einzige Buch, das mit auf die Insel darf.

Sabine Schnabel

Foto: Volker Bohlmann/SVZ

Wow, das klingt herrlich! Man spürt deine Begeisterung … ich bin jetzt neugierig, was für Pferde das denn sind, mit denen du arbeitest, bzw. was es für Schwierigkeiten gibt und was du mit den Pferden machst?

Grundsätzlich arbeite ich für alle Pferde, die meine Dienste brauchen. Das können Freizeitpferde sein, Sport- oder Zuchtpferde, Therapiepferde, große Pferde, kleine Pferde, alte, junge, Ponys, Esel, egal ob als Einzelpferd oder als Herde. Es hat sich herauskristallisiert, dass ich besonders gerne mit Pferden arbeite, die als „hoffnungslose Fälle“ oder „austherapiert“ gelten.

Typische Herausforderungen, die Pferde haben, sind unseren menschlichen ziemlich ähnlich. Das reicht von Stress mit anderen Pferden in der Herde (die ja von Menschen zusammengestellt wird und nicht wie in freier Wildbahn von den Pferden selbst) über Transportprobleme (ein Pferd will nicht in den Anhänger), Futterprobleme, psychosomatische Symptome wie Hautekzeme oder Kotwasser bis hin zu Bindungsstörungen zwischen Stute und Fohlen. Auch Depressionen können dabei sein oder die Begleitung bei Geburten oder beim Sterben.

Oft rufen mich Pferdehalter, die schon sehr viel erfolglos probiert haben. Oder wenn ein Turnierpferd in speziellen Situationen sehr nervös ist. Sehr gut funktioniert die Arbeit begleitend und unterstützend zur tiermedizinischen oder physiotherapeutischen Behandlung, zur Regeneration oder wenn es mit dem Hufschmied nicht so gut läuft.

In erster Linie helfe ich dem Pferd, aus einem Zustand der Übererregung in die Entspannung zu kommen. Dazu arbeite ich hauptsächlich mit beruhigenden Klängen von Klangschalen, Monochord und anderen obertonreichen (harmonisierenden) Instrumenten. Sehr oft setze ich spezielle Stimmgabeln und meine Stimme ein. Das kombiniere ich mit Klopfakupressur. Sie kommt bevorzugt zum Einsatz, wenn es um Glaubenssätze geht. Denn auch Pferde haben Glaubenssätze und können sich selbst sabotieren. Ein Beispiel kann sein ‚Im Training springe ich super. Sobald Publikum dabei ist, schaffe ich das nicht mehr.‘  Oder ‚In diesen Pferdeanhänger gehe ich nicht!‘. Da kann man wunderbar mit Klängen und Klopfen helfen. Ich kam mal dazu, als ein Pferd nach einem Turnier partout nicht auf den Anhänger wollte. Pferdehalterin und Helfer waren total entnervt und unter Zeitdruck. Ich habe mit dem Pferd geklopft und Klang eingesetzt und konnte das Tier und sein Umfeld soweit entspannen und beruhigen, dass seine Halterin es nach kurzer Zeit problemlos auf den Anhänger führen konnte.

Ob die Klopfakupressur direkt am Tier geschieht oder auf Distanz stellvertretend bzw. mental, bestimmt das Pferd. Das kann jedes Mal anders sein.  Das gilt es zu erspüren. Denn das Pferd bestimmt, wie weit es in welchem Tempo gehen möchte.

Aber du bist immer in der Nähe des Tieres, auch wenn du stellvertretend klopfst, oder? Wie merkst du denn, dass sich ein Pferd entspannt? Spontan habe ich mich gefragt, ob Pferde eigentlich dann auch gähnen?

Ja, und wie sie das tun! Sie sind unmittelbar und ehrlich in ihren Reaktionen. Das heißt auch, dass sie weggehen, wenn sie genug haben oder wenn es ihnen nicht passt. Die meisten sind jedoch fasziniert und bleiben nach einer anfänglichen Skepsis dabei.  Oft kommen sie mehrfach wieder, und wir arbeiten portionsweise. Ich kann immer wieder beobachten, wie gut sie das für sich spüren und selbständig regeln. Dabei ist es egal, ob ich im Stall arbeite oder auf der Koppel. Wobei es natürlich sehr von Vorteil ist, wenn sie viel Platz zum freien Bewegen haben.

Ich bin immer in ihrer Nähe beziehungsweise in unmittelbarem Kontakt mit ihnen, auch wenn der in Metern gemessen unterschiedlich ausfallen kann. Die meisten lieben es, wenn sie Vertrauen gefasst haben, sehr dicht heranzukommen und den Klang oder die Berührung meiner Fingerspitzen direkt auf dem Körper zu spüren. Dahin kann es manchmal ein weiter Weg sein. Es ist eben ein Prozess.

Foto: Anika Büssemeier

Dass ein Pferd sich entspannt, merke ich neben dem Gähnen daran, dass es anfängt, „abzuschnauben“ (dieses Pferdeschnauben ist auch bei Chorleitern oder in der Gruppenarbeit mit Menschen sehr beliebt zum Spannungsabbau). Oder es leckt und kaut, „strahlt“ (uriniert), „äppelt“ (…), lässt Winde oder fängt an, sich auf dem Boden zu wälzen. Das sind alles sehr unmittelbare Reaktionen. Zudem ist spürbar, wie sich die Stimmung in der Umgebung verändert. Es wird ruhiger und friedlicher. Die Pferde schließen auch die Augen, senken den Kopf oder lassen ihre Unterlippe locker hängen, machen ihr „Entspannungsgesicht“. Als Fluchttiere, die immer auf der Hut sind, machen sie das nur, wenn sie sich sicher fühlen.

Verstehe ich es richtig, dass die einzelnen Teile des Prozesses dann manchmal nur ganz kurz sind?

Nein. So ist es nur in manchen Fällen, wenn die Pferde sehr ängstlich oder misstrauisch sind. Die meisten sind recht cool. Oder neugierig. Oder Genießer. Oder alles zusammen. Längere Passagen mit einer Klangschale auf der Kruppe oder entlang der Gliedmaßen sind durchaus üblich. Es geht immer nach dem Bedürfnis des Pferdes. Die sind so unterschiedlich wie bei uns Menschen. Einigen reicht ein kurzer Impuls oder mehrere, andere sind wie ein Schwamm und können gar nicht genug bekommen. Das ist auch tagesformabhängig. Mit Klang kann man energetisch unterversorgte Partien „auffüllen“. Genauso kann man übermäßige Anspannung mit Hilfe von Klangschwingungen mildern. Es geht immer um Ausgleich und Harmonisierung, um die Wiederherstellung des optimalen Energieflusses. Das wirkt sich dann auf das Immunsystem, die Selbstheilungskräfte und das Wohlbefinden des Pferdes aus. Die Begleitung mit Klang und Klopfakupressur scheint für die Pferde eine angenehme Erfahrung zu sein. Sonst würden sie nicht von alleine angelaufen kommen, wenn sie den Klang und das Klopfen einmal kennengelernt haben.

Du hast ja anfangs gesagt, dass du mit einigen Tieren experimentieren durftest. Musstest du mit den Pferdehaltern, die du nicht persönlich kanntest, noch Überzeugungsarbeit leisten oder wurde das gut an- und aufgenommen?

Das ist von Fall zu Fall verschieden. Viele Pferdehalter sind sehr offen, andere sagen ebenso ehrlich, dass das für sie nichts ist. Das ist ihr gutes Recht. Klang fasziniert jedoch alle, die sich darauf einlassen. Es ist wie das Klopfen etwas, das man tatsächlich erfahren muss. Da ist uns Menschen anfangs manchmal der Kopf im Weg. Sobald eine Schale oder Stimmgabel erklingt, sind die meisten fasziniert. Die Pferde sind es sowieso. Andererseits staune ich immer wieder, zum Beispiel auf Veranstaltungen, wer alles mit Klang arbeitet. Beim Klopfen ist es doch ähnlich, oder? Das finden viele anfangs auch ungewohnt bis befremdlich, und dann überzeugen die Erfahrungen diejenigen, die damit in Resonanz sind.

Was in der Pferdeszene inzwischen gängig ist, sind technische Geräte, die mit Frequenzen arbeiten wie Magnetdecken, Licht-, Laser- oder Farbtherapie. Es geht immer um Schwingungen. Die nutze ich auch für meine Arbeit. Ich persönlich arbeite mit viel Freude und Herz ganz individuell und „unplugged“. Dabei stimme mich jedes Mal neu auf das Pferd ein.

Die Bereitschaft, zunehmend auch unter sportorientierten Pferdehaltern, sich auf neue Methoden einzulassen, wächst stetig. Dabei ist die Arbeit mit Klängen ja überhaupt nicht neu. Wie sagte ein Pferdehalter neulich: ‚Vor zehn Jahren fanden wir Osteopathie auch noch komisch, und heute macht das jeder.‘ Das wird immer selbstverständlicher. So wie das Klopfen.

Mit meiner Arbeit mache ich ein Angebot. Ich bewerbe es, sage, hallo, hier bin ich, das könnt Ihr für Eure Pferde bei mir bekommen. Die Wahl liegt immer beim Pferdehalter und dann beim Pferd.

Liebe Sabine, das klingt sehr nach einer Arbeit, die passt – und nach einer Arbeit, bei der du deine Hochsensibilität wirklich im positivsten Sinne ausleben kannst, oder?

Ja, ich bin sehr froh und dankbar, dass ich nach verschiedenen beruflichen Etappen eine Tätigkeit gefunden habe, die ich sinnvoll finde und die mich erfüllt und glücklich macht. Mit dem Begriff Hochsensibilität kann ich eine Menge anfangen, würde ihn jedoch so auf mich nicht ohne weiteres anwenden. Wenn ich mit den Pferden arbeite, bin ich sicherlich in einer sehr feinen und sensiblen Wahrnehmung. Mache ich für meine Tätigkeit auf einem lauten und geschäftigen Turnier oder auf einer hektischen Messe Werbung, schalte ich teilweise in einen anderen Modus. Dabei bleibe ich gleichwohl präsent.  In diesem Wechselspiel von äußeren Reizen und ruhigen Phasen bewege ich mich.  Genau wie zum Klang essentiell eben auch die Stille gehört. In ihr passiert das Wesentliche.

Vielen Dank, Sabine!

Haben Sie schon mit Tieren geklopft? Wie immer freue ich mich über Ihre Kommentare.

Herzliche Grüße,
Ihre
Monika Richrath

 

Titelbild: Anika Büssemeier

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