EFT eignet sich hervorragend für die Arbeit mit traumatisierten Menschen, da die Methode sowohl zur Stabilisierung als auch zur Traumabearbeitung genutzt werden kann. Zur Einschätzung wie “einfach” oder “komplex” die Begleitung der hilfesuchenden Person sein wird und welche eigenen Kompetenzen gebraucht werden, gibt es am Ende des Artikels ein Schaubild.

Dank unserer Arbeit im Frauennotruf – einer Beratungs- und Fachstelle zum Thema sexualisierte Gewalt – durften ich und meine Kollegin Bahara Zschernack in den letzten Jahren mit vielen traumatisierten Frauen und Kindern arbeiten und konnten zahlreiche Erfahrung mit EFT im Bereich Stabilisierung bis hin zur Traumabearbeitung sammeln.

Auch Frauen und Männer, die nicht von sexueller Gewalt betroffen sind wenden sich, durch unsere Homepage „EFT und Trauma“ angesprochen, immer häufiger an uns und nutzen unser nebenberufliches Therapieangebot mit EFT und anderen therapeutischen Verfahren.

Drei Beispiele aus der Praxis:

Vor ein paar Jahren fragte mich eine Frau A. nach einem Traumavortrag, ob ihr Trauma wohl aufgelöst sei, sie habe zwei Jahre Traumatherapie gemacht, aber sich in vielen Symptomen wiedergefunden, die im Vortrag benannt waren. Meine Gegenfrage lautete damals, ob sie mir bei einer Tasse Kaffee das traumatische Erlebnis in Ruhe erzählen könne ohne dabei zu dissoziieren (sich gefühlsmäßig abzutrennen) oder (emotional) in Stress zu geraten. Frau A. erschrak, denn das konnte sie sich nicht vorstellen.

Sie entschied sich daraufhin für eine EFT- Sitzung mit mir, um das traumatische Ereignis zu bearbeiten und konnte mir danach schildern was passiert war ohne irgendeine Form von Stress zu spüren. Frau A. konnte sich auch an mehr Details des Vorfalls erinnern als vor der Bearbeitung mit EFT und ihr eigenes Verhalten in der Situation würdigen.

Jahre später sagte Frau A. mir, dass sie nun keine Angst mehr hat, dass ihr das nochmals passieren könnte, denn sie weiß ja, dass sie den traumatischen Stress lösen kann – es handelte sich um eine Vergewaltigung.

Nicht jedes Psychotrauma lässt sich so einfach in einer Sitzung auflösen. Dass Frau A. schon Therapieerfahrung mitgebracht hat und selbst in NLP ausgebildet war, hat es sicherlich leichter gemacht, da sie sich selbst gut spüren konnte und leicht auf EFT reagierte.

Frau C. kam zu mir wg. einer Nahrungsmittelaversion. Sie hatte als kleines Kind einen Unfall beim Spielen und seitdem hatte sie großen Ekel vor Salat, Gemüse, Käse und konnte es nicht mehr essen, obwohl sie es vorher laut Aussage ihrer Mutter mochte.

Das erschien mir erst einmal einfach: wir lösen den Fahrradunfall auf und schauen dann, ob die sie wieder alles essen kann. Das hätte sicher auch geklappt – aber was erst mitten in der Sitzung klar wurde war die Tatsache, dass sie als Kind erst Stunden nach dem Unfall blutüberströmt in ihrem Elternhaus ankam und in der Zwischenzeit etwas Schreckliches passiert sein musste, wozu ihr jegliche Erinnerung fehlte.

Mit dieser Klientin galt es erst in einem längeren Prozess eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und ihr System (Körper, Geist und Seele) mit der Wirkweise von EFT vertraut zu machen, zumal sie für ihr Überleben gut gelernt hat zu dissoziieren.

In späteren Sitzungen arbeiteten wir uns von hinten nach vorne durch den Erinnerungsfilm, so schufen wir dem Mädchen in einer MatrixReimprinting – Sitzung eine neue Realität des „Versorgt werdens“ beim nach Hause kommen, um ihre Stabilität zu erhöhen. In der alten Realität wurde sie von ihrer Mutter mit Vorwürfen empfangen – nun empfing sie eine liebevolle Mutter, die sie körperlich und seelisch aufs Beste umsorgte, ausgestattet mit schmerzlindernden, heilenden Wundertränken. Die einzelnen positiven Bilder speicherten immer wieder in ihrem System ab, so dass die schrecklichen Situationen in kleinen Häppchen überschrieben wurde und keinen emotionalen Stress mehr auslösten. Später brannten wir die Amnesie noch auf eine DVD und beklopften diese, auch das brachte große Erleichterung. Allerdings hat ein kürzlich erfolgter Test gezeigt, dass das Erlebnis in der Amnesie noch nicht vollständig aufgelöst ist – aber auch dafür kommt sicherlich noch die richtige Zeit, wo wir erneut daran arbeiten dürfen.

Frau C. hatte sehr viele frühkindliche traumatische Erlebnisse und war aufgrund der daraus folgenden psychischen Probleme zu dem Zeitpunkt krank geschrieben und danach auf Dauer berentet. Nach zwei Jahren intensiver EFT-Traumaarbeit und weiteren zwei Jahren mit viel Eigenarbeit und gelegentlicher Trauma- Bearbeitung mit EFT durch mich, geht es ihr heute sehr gut und sie steht beruflich wieder auf eigenen Füßen. Es fehlt ihrer Aussage nach nicht mehr viel, bis sie sich von allem traumatischem Ballast ganz befreit hat.

Frau W. hatte ihren Stiefvater wg. jahrelangen sexuellen Übergriffen angezeigt und die Gerichtsverhandlung stand bevor. Ihre Angst dem Täter vor Gericht zu begegnen war sehr groß und es gab auch noch viele andere Aspekte, die ihr großen Stress verursachten, wenn sie an die Verhandlung dachte. Da wir nicht viel Zeit bis zum besagten Tag hatten arbeiteten wir mit der Magic-Box- Methode mit EFT und konnten so all ihre Bedenken in nur einer Sitzung entstressen. Zum Schluss fand sie als Ressource sogar noch ein stärkendes Bild in ihrer imaginierten „Zauberkiste“ über das sie sich besonders freute.

Erst kürzlich hat mir ihre Anwältin erzählt, wie Frau W. ihrem Stiefvater in die Augen schauen konnte und eine so gute Aussage machen konnte, dass der Richter erstaunt nachfragte und sie ihm von der EFT-Sitzung berichtete. (Achtung: Bei Anzeigen niemals zur Tat klopfen, sondern nur stabilisierend, sonst kann die Aussage evtl. nicht verwertet werden).

Auch in vielen weiteren Fällen konnten wir Frauen die Angst vor ihren Peinigern nehmen, so dass sie ihnen bei zufälligen Begegnungen in der Stadt, im Supermarkt oder bei unumgänglichen Terminen wie Gerichtsverhandlungen gegenübertreten konnten statt zu erstarren.

Typenmodell für Einschätzung des „Schwierigkeitsgrads“

BegleiterInnen und TherapeutInnen, die mit traumatisierten Menschen arbeiten, sollten umfassende Erfahrung mit der Wirkweise von EFT haben und mit weiteren Techniken aus der Traumatherapie vertraut sein, um bei Bedarf darauf zurückgreifen zu können. Methoden aus verschiedenen Richtungen der Traumatherapie lassen sich dabei sehr erfolgreich kombinieren.

Hilfreich zur Einschätzung der Schwere der Traumatisierung, dem damit verbundenen „Schwierigkeitsgrad“ und der Langwierigkeit der EFT- Begleitung ist für uns das Typenmodell der Trauma – Fachfrau Babette Rothschild aus dem Buch „Der Körper erinnert sich“ (2002).

Wir haben das Typenmodell in eine Graphik eingearbeitet und die Farben einer Ampel eingesetzt um den Schwierigkeitsgrad der Begleitung darzustellen.

Dabei steht „grün“ für eher einfache „Fälle“, da ein spezifisches traumatisches Ereignis gezielt auflöst werden kann.

Auch bei „gelb“ kann häufig relativ schnell mit der Traumabearbeitung begonnen werden.

Schwieriger verhält es bei „orange“ da es sich um verschiedene, traumatische Ereignisse oder Erlebnisse handelt, die nicht voneinander getrennt werden können. Dort sollten zuerst die Ressourcen wieder zugänglich gemacht werden. Dabei stellen die EFT- Techniken eine Besonderheit in der (trauma-)therapeutischen Landschaft dar: KlientInnen, können durch die Eigenanwendung mit EFT selbst dazu beitragen, dass ihre Ressourcen gestärkt werden. Neben dem Erleben von Selbstwirksamkeit wird „nebenbei“ durch die Vermittlung und Einübung der Grundtechnik auch noch eine vertrauensvolle, empathische Beziehung gestärkt, die für die spätere Trauma-Bearbeitung unerlässlich ist.

Befinden sich KlientInnen mit ihrer Lebenssituation im „roten Bereich“, dann benötigen die BegleiterInnen/TherapeutInnen entsprechend viel Kompetenz und Erfahrung in der Traumaarbeit. Häufig verfügen aber besonders diese Menschen über erstaunliche (Überlebens-)Fähigkeiten, die ein gemeinsames Arbeiten bereichern.

Eine verlässliche, langfristige therapeutische Beziehung ist sowohl bei „orange“ als auch bei „rot“ unerlässlich – ebenso eine Portion Ausdauer auf beiden Seiten.

Versch Typen v traumat Menschen Susanne Findler 2016

© Susanne Findler

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Geschrieben von Susanne Findler
Veröffentlicht: 20. Januar 2016

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